KuKuK-Textwerkstatt 2022

 


Es gibt doch noch Hoffnung für die USA.
 
Seit einer ganzen Weile habe ich nichts über die politische Situation in den Staaten geschrieben. In den letzten mehreren Wochen ist eine ganze Menge passiert.
Die Zwischenwahlen (die sogenannten Midterms) sind wesentlich besser ausgefallen als befürchtet. Die Ergebnisse auf beiden, Bund- und Staatsebene waren Grund für ein bisschen Erleichterung. Die große, vorhergesagte „rote Welle“ (ein riesiger Zugewinn an Sitzen für die Republikaner überall), hat überhaupt nicht stattgefunden. Leider muss man aber zugestehen, dass immer noch viel zu viele Radikale gewählt wurden. 
Die Demokraten werden auf jeden Fall die Mehrheit im Senat haben, aber leider nicht im Repräsentantenhaus. Zurzeit ist der Zustand unter den Republikanern sehr chaotisch. Die Mehrheit hat sich hinter Donald Trump gestellt, wobei ein großer Teil der Partei viel glücklicher gewesen wäre, wenn er sich nicht für die Präsidentschaft 2024 zur Wahl gestellt hätte.
Die radikalen Rechten, wie seit mehr als 12 Jahren, halten die zumindest früher moderaten Republikaner als Geiseln. Wenn es tatsächlich zu einer Spaltung in der Partei kommen würde, dann würden kein Zweig der Konservativen jemals wieder eine Mehrheit im Kongress erreichen. Deswegen sind die Moderaten bereit, ihre Seele für den Erhalt der Macht zu verkaufen. Alle Mittel, dies zu bewirken, sind erlaubt.
Der Plan der Republikaner im Haus ist nicht, etwa sinnvoll für die Bürger zu regieren, sondern Rache. Ihre Ziele sind, Leute anzuklagen, wie z. B. diejenigen, die den Sturm auf das Kapitol untersuchen. Inzwischen wird in republikanischen Kreisen verharmlosen dieses Ereignis, dass es kein Angriff war, sondern ein Besuch, der außer Kontrolle geriet. 
Auf der anderen Seite, in den letzten Monaten konnten die Demokraten viele wichtige Gesetze verabschieden. Als Präsident Biden ins Amt kam, waren die Staaten kurz vor dem Kollaps. Egal ob er gerade 80 geworden ist, hat er eine enorme Menge schon erreicht. Bei der Wahl in 2020 war ich auch skeptisch, dass er die Energie hatte, diese riesigen Herausforderungen anzugehen. Inzwischen weiß ich, dass er genau der richtige Mann an der richtigen Stelle ist. Seine jahrzehntelange Erfahrung in Washington zahlt sich für die Amerikaner aus. 
Was zusätzlich ein bisschen Optimismus hervorruft, sind die Entwicklungen der vielen Prozesse gegen Donald Trump. Zurzeit laufen mindesten 16 Verfahren gegen ihn. Sogar konservative Richter, teilweise von ihm ernannt, haben seine Einwände abgelehnt. Erstaunlicherweise hat das Oberste Gericht die Steuerbehörden angewiesen, Trumps Steuererklärungen an das Untersuchungskomitee im Haus zu geben. 
Vor ein paar Wochen hat er seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 bekannt gegeben, in der Hoffnung, eine Art Immunität vor Verurteilung zu bekommen. Laut vieler juristischen Experten, wird diese Strategie nicht funktionieren. Das kann man nur hoffen.
Für juristische Verhältnisse schreiten die Gerichtsverfahren wegen der Wahlmanipulation in Georgia, der Geldveruntreuung und Steuerhinterziehung in New York, der unzulässigen Mitnahme von Dokumenten vom Weißen Haus, seines Anteils an dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, um nur ein paar zu nennen, zügig voran. Mit der Ernennung eines Sonderstaatsanwalt wurden die Untersuchungen über die Dokumente und des 6.1. in die Hände eines hochqualifizierten Anwalts gegeben, bestimmt mit dem Ziel, so schnell wie nur möglich ein Ergebnis zu erreichen, bevor die Wahlkampagnen für 2024 richtig anfangen. 
Der Strick um Donald Trumps Hals wird immer enger und die nächsten Monate werden eine Achterbahn der Ereignisse und der Gefühle sein. Das Wichtigste ist, dass eine Hoffnung besteht, dass die Gerechtigkeit eine Chance hat. Dafür bin ich unendlich dankbar.

 


 

21. November 2022: Ingrid Wortmann-Wilk, "Die Babouches von Fes"

 

Meine Babouches aus Fes -

treue Begleiter eine aufregenden Reise.

An ihnen haftet der Geruch der Gerber und Färber.

Das Ziegenleder unzählige male durch Becken

mit Laugen und Farben geschleift

von Männern, die knietief durch die Bottiche waten,

unbarmherzig ausgesetzt dem Gestank und der Sonne.

 

Meine Babouches hallen wider von Hammerschlägen

des Schusters.

In seiner Werkstatt in der Medina hocken die Lehrlinge

auf dem Boden.

Das Leder wird geschnitten, verklebt, erneut geschnitten,

beklopft, gedehnt, gespannt,

bis langsam, nach vielen Handgriffen, das Pantoffelpaar 

entstanden ist.

Letzter gestrenger Blick der Meisters-

und die Babouches werden zum Souk gebracht,

bereit für die Füße, die sie tragen werden.

 

Meine Babouches hörten viele Sprachen.

Im Souk in Fes standen sie in Reih und Glied

mit ihrem Geschwisterpaaren in einem Laden,

wurden angepriesen auf Arabisch, Französisch, Englisch

und Deutsch.

Und immer wieder die Rufe des Muezzin.

Unser Zusammentreffen geschah am Donnerstag.

Beim Schlendern durch den Souk entdeckte ich sie -

rotes Leder, die Spitze nach oben gebogen wie bei Prinz Aladin -

innen weiß gefüttert.

 

Meine Füße – wundgelaufen auf Treppen und Gassen –

schlüpfen hinein, atmen auf,

das weiche Leder wie eine Liebkosung,

Liebe auf den ersten Blick.

Nach einer Tasse Tee und viel Gefeilsche

waren sie erstanden, blieben an den Füßen.  

 

Viel Staub haftet jetzt an ihnen,

nicht nur der von Fes.

Der Berbermarkt im Atlas hinterließ

Federn von geschlachteten Hühnern,

Haare von Eseln und Kamelen,

Krümel von Fladenbrot,

Blättchen von Gemüse.

Im Souk von Marrakesch kamen

heruntergewehte Gewürze,

Metall und Holzsplitter der Schreiner,

Wollfasern der Teppiche,

Glasurstückchen der Kacheln hinzu.

Der Strand von Agadir mengte Sand und Muschelstückchen bei,

der Hafen Fischgräten und -schuppen,

die Cafés Kohleteilchen der Wasserpfeifen.

 

Am Ende der Reise erbarmt sich ein Schuhputzer

der Babouches,

bürstet mit kräftigen Strichen

den Staub hinweg,

gibt Fett auf das durstige Leder,

nach dem Polieren schimmert es matt in voller Schönheit.

 

Wieder zurück im kalten Norden,

ruhen die Babouches neben ihren Vettern und Cousinen,

den Stiefeln und Sandalen,

bis – Inch´Allah - sie eines Tages

wieder Marokkos Erde betreten.

 


Dieterich Emde
Dieterich Emde

 

Das Logo am Hemd

Nicht zu entziffern

Auch nicht die Zeilen

Auf dem Papier

Der Blick jedoch

Konzentriert auf der Zeitung

Durch ihn bekommen die Zeilen Sinn

Er liest

Alles verschwindet ringsum

Nur noch das Lesen

Lesen

Lesen

 



 

10. Oktober 2022: Johannes Eucker - Zauber der Erinnerung - Nix als Zwieback zu klauen

 

Die Lebensmittelgeschäfte im Dorf - es gab ihrer drei - wurden regelmäßig durch einen kleinen Lastwagen beliefert. Die beiden Jungen des einen Ladens, mit denen ich zeitweise befreundet war, kannten den Fahrer, denn er ließ sie öfter auf der Pritsche des LKW ein Stück mitfahren. Das war damals ein sensationelles Ereignis, denn es gab im ganzen Dorf nur zwei Pkws und sonst kein motorisiertes Fahrzeug. Auch die Feuerwehr musste ihre Handspritze schieben. Ich war deshalb begeistert, als sie mich mitnahmen auf die Landstraße unterhalb des Dorfes, wo sie in der Regel das Fahrzeug erwarteten. Wie lange wir dort warten mussten, weiß ich nicht, registrierten wir wohl auch nicht, denn auf dieser Schotterstraße konnte man sich die Zeit locker vertreiben. Die vielen lose herumliegenden Steine waren ideale Wurfgeschosse und man konnte nach Belieben nach links und rechts, nach hinten und vorne mit Steinen seine Weitwurffähigkeit und Zielsicherheit ausprobieren. Wenn die Straßenbäume voller reifer oder fast reifer Äpfel oder Birnen hingen, erhöhten sie als Zielscheibe den Reiz zu werfen. Diese Art das Gemeindeobst zu ernten, war verboten und Kinder mussten mit energischen Zugriffen von Erwachsenen rechnen, besonders seitens des Ortsdieners.

 

Wenn wir drei aber auf das Lebensmittelauto warteten, war unser Interesse anders gerichtet. Ich war vor allem scharf auf das Fahrgefühl. Der Wagen hielt an, wir kletterten hinten auf die Pritsche, die von einer Plane überdacht war und saßen dann inmitten von Säcken und Kartons mit Lebensmitteln. Völlig unbeobachtet. Natürlich kam uns der Gedanke, da etwas herauszunehmen und zu essen. Wir nutzten also die kurze Zeit und prüften die Ladung. Leider gab es außer Zwieback aber auch rein gar nichts, was wir hätten naschen wollen. So blieb und als wertvolle Erinnerung das Fahrgefühl und ein reines Gewissen.

 

 



12. September 2022: Ingrid Wortmann-Wilk, "Bolonia!"

 

Bolonia!

Jedes Mal die gleiche Freude,

über den Berg zu kommen,

die Sonne oder den Mond im Atlantik blinken zu sehen,

am Horizont die Berge Marokkos,

entlang des Strandes die weißen flachen Häuser.

 

Bolonia!

Die Füße freuen sich auf den feinen, weißen Sand

und das frische Wasser des Atlantik

die Wanderungen entlang des Strandes,

meist menschenleer.

In den Dünen zu liegen,

umrahmt von Ginsterbüschen und Pinienwäldern,

den warmen Sand an Händen und Füßen,

das Rauschen der Wellen im Ohr-

alle Sorgen fallen ab.

 

Bolonia!

Du bist ein Ort der Tiere,

Kühe weiden am Strand,

Ziegen, Esel, Pferde + Schweine auf den Wiesen.

Geckos + Leguane sonnen sich auf den heißen Steinen.

Streunende Hunde am Strand buhlen um Zuwendung,

Abgemagerte Katzen betteln um Fischreste.

 

Bolonia!

Levante + Poniente bliesen den Sand zur Flugdüne am Ende der Bucht,

treiben manchen zum Wahnsinn,

fegen den Strand menschenleer,

weil der umherwirbelnde Sand wie Nadelstiche die Haut peinigt.

Lassen Surfer über die peitschenden Wellen springen,

verhindern, daß Investoren Touristeneinheitshäuser an den Strand setzen.

 

Bolonia!

Du bist ein Ort der Fischer.

Die römischen Ruinen beweisen es -

bereits in alter Zeit wurde der Thunfisch gesalzen in steinernen Trögen.

Gefahrvoll und mühsam ist bis heute das Handwerk der Fischer,

bronzefarben ihre Haut von der gleißenden Sonne.

 

Bolonia!

Nicht nur den wohlschmeckenden Fisch bringt der Atlantik.

Menschen aus dem nahen Afrika,

die ihr Glück versuchen wollen in Europa,

entfliehen möchten der Armut ihrer Heimat

landen in kleinen Schlauchbooten,

deren zerfetzte Reste den Strand säumen.

Manchen der Immigranten wurde der Atlantik zum Verhängnis,

so wie auch mancher Fischer verlor sein Leben in den Fluten.

 

Bolonia!

Du bist auch ein Ort des Flamenco.

Im Hotel  Los Jerezanos  treffen sich Menschen,

in der Tradition des Flamenco aufgewachsen,

mit Begeisterten aus der Mitte Europa,

die versuchen, das Geheimnis des Flamenco zu ergründen.

Das Tacaneo der Füße hallt durch das Haus,

Gesang und Gitarre zu jeder Zeit.

In der Nacht auf der Terrasse beschließt eine Fiesta manch heißen Tag.

 

Bolonia!

Zum Glück bist Du kein Marbella,

erst recht kein Torremolinos.

In Deiner Ursprünglichkeit und Ruhe entstand manche Liebe oder wurde gefestigt.

Bis zum nächsten Wiedersehen besteht der Wunsch:

Bitte bleibe so idyllisch, so einfach.

Bitte, Levante, blase aus Leibeskräften,

wenn der nächste Investor lässt schweifen sein begehrliches Auge über die Bucht.

 

 


 

29. August 2022: Horst Wolcke, Gedicht - "Guten Morgen"

 

Am Fenster  morgens  - noch halbnackt

die Frau winkt  ihrem Lover

darunter hockt ein Hund und kackt

im Nachbarhaus  ein Gaffer

 

 

Am Gartentor ein gelber Sack

liegt  - windzerzaust -  darnieder

mit Plastikmüll  von vierzehn Tag´

ein Teil hängt schon im   Flieder

 

 

Das Törchen schlägt vom Winde zu

 - er käm´ wohl bald mal wieder -

und sie am Fenster denkt - ach Du

 

schaut auf den Müll - und auf den Flieder

 


 

15. August 2022: Christine Zickmann – Gedicht mit Zeichnungen - "Die Raupe"

aus „Die Spinne Schlackerbein und ihre Freunde“ – Ein Heft mit Kindergedichten zum Lesen und Malen für kleine und für große Leute

 

 

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1. August 2022: Ingrid Wortmann-Wilk, "Der Hoffmann schrieb den Struwwelpeter"

 

Die Affen im Zoo machen ein Riesengezeter.

Heiraten kann mer in Frankfurt im Römer,

beim Hochzeitsschmaus ist mer dann einen Döner.

 

Der Müll kam früher auf den Monte Scherwelino.

Im Senkenbergmuseum steht ein großer Dino.

In Frankfurt wird Hessisch gebabbelt,

aber nicht in den Main rein gerappelt.

 

Willst Du imponieren Deinem Mädel,

geh ins Städel. 

Hast Du Kunst im Hirn,

geh in die Schirn.

 

Zum Glück sind die Frankfurter, wie alle Hessichen,

eher leutselig, bodenständig und mehr die Lässischen.

Nase hoch hält sich in Frankfurt im Rahmen,

hier haben manche Gebäude auch Namen.

 

Es gibt den Bleistift und den Ginnheimer Spargel.

Nur manchmal gibt's im Sommer Donner und Hagel.

Wer Musik und Kultur schätzt, geht in die alte Oper.

An dieser Stelle einen Gruß an Frankfurt an der Oder.

 

In Frankfurt hält mer net viel von Strafen.

Besser beginnt mer eine Reise am Frankfurter Flughafen.

Oder man macht Urlaub daheim und besucht den Palmengarten,

da muss man auf exotische Pflanzen nicht lange warten.

 

Der Weihnachtsmarkt hier ist der Knüller

und inzwischen sogar in England der Kassenfüller.

Frankfurt heißt jeden willkommen, 

 

der's bunt mag und im Hirn nicht ist rassistisch verschwommen.

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25. Juli 2022: Barbara Yeo-Emde – "Politik in USA: Wie schneidet Präsident Biden ab?"

 

Vor eine Woche hat eine Freundin gefragt, was ich von Joe Biden halte. Das ist nicht einfach zu beantworten und kann nicht in zwei Sätzen zusammengefasst werden. 

 

Mindestens in den letzten 40 Jahren gab es sehr oft unter republikanischen Präsidenten einen Krieg und gleichzeitig große Steuersenkungen für die Reichsten. Wenn man bedenkt, dass die republikanische Partei immer sehr laut behauptet, dass sie besser mit Finanzen als die Demokraten umgeht, ist das nicht nur ironisch sondern auch dreist. Die demokratischen Präsidenten, die als nächste gewählt worden waren, mussten einen Krieg zusammen mit gigantischen Defiziten und Schulden übernehmen. 

 

Als Präsident Obama seine erste Amtszeit anfing, dachte ich, dass es niemals einen Präsidenten gab, der eine schwerere Last übernehmen müsste: eine Finanzkrise fast genauso schlimm wie die Weltwirtschaftskrise im letzten Jahrhundert, eine Zunahme des Rassismus und der radikalen Rechten, die sehr stark an Macht in der republikanischen Partei und dadurch auch im Kongress gewonnen hatten. Trotz allem konnte Präsident Obama und seine Administration sehr viel erreichen.

 

Während der vier Jahre unter Trump haben die Republikaner ihre typische Finanzpolitik und Radikalismus noch extremer betrieben. Wir haben schon die Ergebnisse dieser Präsidentschaft über uns ergehen lassen müssen – ein Land, wo die Demokratie kurz vor dem Zusammenbruch und mit unzähligen Krisen kurz vor dem Untergang steht.

 

Joe Biden hat einen Schlamassel ohnegleichen geerbt, wesentlich problematischer als der, den Präsident Obama übernommen hatte. Dieses Mal gab es für Joe Biden nicht nur eine Finanzkrise mit den normalen, von den Republikanern verursachten enormen Schulden und ein Defizit in schwindelnder Höhe. Zwei Wochen vor seiner Amtseinführung hat Präsident Biden mit anschauen müssen, dass ein gewaltsamer Aufstand gegen die Regierung von dem vorigen Präsident herbeigeschworen wurde. Aufgehalst wurde ihm zusätzlich eine Pandemie, die von seinem Vorgänger komplett verpfuscht wurde, eine neue Wirtschaftskrise und noch mehr Rassismus und Fanatismus, die die Spaltung in den Staaten weiter verschärfen. Dazu kommt ein Kongress, blockiert durch republikanische Politiker, die kein Rückgrat haben, die nötigen und moralisch richtigen Schritte zu nehmen. Als ob das nicht schon mehr als genügend Hürden sind, findet zurzeit in der gesamten republikanischen Partei ein Angriff auf das Wahlsystem und die Demokratie statt, ein Oberstes Gericht mit einer großen Mehrheit an konservativen Richtern, das die Menschenrechte drastisch reduzieren möchten, ein erschreckender Anstieg an Schießereien und Gewalt und den Krieg zwischen der Ukraine und Russland, um nur einige der brisanten Themen zu nennen.

 

Ich bin überzeugt, dass Präsident Biden sein Bestes versucht, aber er hat zeitgleich eine Unmenge an Krisen zu bewältigen. Seine Popularität ist sehr niedrig, aber kein Präsident könnte einen solchen Berg an Katastrophen schnell beseitigen. 

 

Ich habe das Gefühl, dass er die Umfragen ignoriert. Er kennt sich in Washington sehr gut aus und weiß, dass diese Umfragen meistens von Medien geführt werden, die einer Partei zugetan sind und sehr oft voreingenommene Ergebnisse produzieren. 

 

Es gibt eine Sache, die viele Amerikaner sehr schnell vergessen. Der Präsident ist nicht ein König oder Diktator (auch wenn Bidens Vorgänger sich so benommen hatte). Er darf nicht alleine alles entscheiden, weil es Einschränkungen seiner Macht gibt. In einer Demokratie, die richtig funktioniert, sind diese Restriktionen sehr wichtig und haben die Staaten, mindestens bis jetzt, vor dem vollständigen Ruin bewahrt. Leider habe ich nicht viel Vertrauen in der Wählerschaft, was der Wahlen im November betrifft. Den USA droht die Übermacht der radikalen Rechten.

 

Meiner Meinung nach haben die Vereinigten Staaten den richtigen Präsident in dieser mit unzähligen Krisen beladenen Zeit. Er arbeitet ununterbrochen, um Verbesserungen zu verwirklichen aber hat eine astronomische Anzahl an Problemen, womit er konfrontiert wird, einschließlich mancher Mitglieder der eigenen Partei, die ihm Steine in den Weg legen. Ja, er ist alt. Es sollte sich eine jüngere Person zur nächsten Präsidentschaftswahl in 2024 stellen, aber zurzeit zumindest sehe ich keinen in der Partei, der eine Chance hat.

 

Meines Erachtens würde Kamala Harris auf keinen Fall gewinnen, nicht wegen Qualifikationen, aber weil sie eine Frau und nicht weiß ist. Nach ca. 250 Jahren gilt immer noch „all men are created equal“. Die deutsche Übersetzung lautet „ dass alle Menschen gleich erschaffen sind“ aber in Wahrheit heißt es tatsächlich „Männer“ – und obendrein nur Weiße - und nicht „Menschen“.

 

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18. Juli 2022: Johannes Eucker - Kinderreime in Oberrospher Dialekt

 

Drell, drell Drebbche,

Melch enns Debbche,

Spägg onn Äjer en de Pann,

dos gräid da dä Äggermann.

 

Dross, dross, drell, 

dä Bauer häd e Fell, 

dos Fell, dos wolld ned lofe,

dä Bauer wollds verkoofe,

do liff des Fellche wegg,

dä Bauer fillen Drägg.

 

Dross, dross drell(che), 

dä Bauer häd e Fell(che),

dä Bauer häd e bonde Kuh,

de Kuh, die liff dem Meller zu,

dä Meller gobbä Gleie,

se liss de Brogge leie,

sass e Vichelche offem Dach,  

dos häd sich halb dodgelachd.

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Vorne der See

Das Schilf im Wind

Beschrieben schon in der Fabel vor langer Zeit

Es wiegt sich sanft in der Brise

Der ruhende See bestimmt das Bild

 

Dahinter das Dorf

Nur Schemen die Häuser und Höfe

Die Felder sonnenverbrannt verdorrt

Tiere vielleicht im Stall

 

Darüber der Himmel

Schmal und blau

Gleichgültig schaut er herab

 

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4. Juli 2022: Barbara Yeo-Emde – "Die USA, Mein Heimatland in einer verhängnisvollen Lage"

 

(1.7.22) Politik in der USA – Was die Anhörungen wegen 6. Januar 2021 über die letzte Administration aussagen und der gewaltige Rück nach Rechts

In der Vergangenheit habe ich öfters über die politische Lage in den USA geschrieben. Es ist kein Geheimnis, dass ich Mitglied in der demokratischen Partei bin. Aber hier hat es nicht mit meiner Parteiangehörigkeit zu tun, sondern meiner Staatsangehörigkeit. Als Amerikanerin bin ich über die letzten Entwicklungen in den USA am Boden zerstört.

 

Ich lebe seit 40 Jahren hier in Deutschland und habe inzwischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Aber die USA bleibt meine Heimat und um sie mache ich mir gigantische Sorgen. Keine Partei ist perfekt aber meiner Meinung nach hat die republikanische eine enorme Menge an katastrophalen Handlungen zu verantworten. 

 

Während der Wahlkampagne 2016 konnte ich einfach nicht fassen, dass ein so ungebildeter, egoistischer, rüpelhafter und respektloser Mann der Kandidat der republikanischen Partei werden konnte. Noch mehr entsetzt wurde ich, als er Präsident wurde. Ich habe mehrere Tage nur heulen können, ein Zustand, den ich wieder habe. Ich hatte mir seine Präsidentschaft schon vorstellen können und leider hat er meine damaligen Befürchtungen sogar übertroffen. 

Donald Trump ist ein sehr unchristlichster Mensch und wird trotzdem von den christlichen Rechten hofiert. Ich werde nie verstehen können, dass so viele Leute ihn verehren. Das meiste, was er von sich gibt, ist dermaßen uninformiert, dreist oder einfach sinnlos. Es gibt nur eine Sache, was ihn interessiert und das ist sein Wohlergehen, sonst nichts. Er schert sich kein einziges bisschen um Andere. Es geht nur um sein Geld und seine Macht. Diese Tatsachen waren schon vor seiner Wahl absolut offensichtlich.

 

Man muss nur die amerikanischen Nachrichten verfolgt haben, um zu sehen und zu hören, was er an unzähligen verheerenden Maßnahmen vornahm. Er hatte zwielichtige Leute - Schmeichler und Machtgierige, die teilweise im Knast waren, bis er sie begnadigt hatte - um sich geschart. Aus einem für mich unerklärlichen Grund gibt es eine ganze Menge, die immer noch seine Billigung mit Einschleimen ersuchen. 

 

Vetternwirtschaft betrieb er auch im großen Stil, indem er seinen Familienmitgliedern wichtige Positionen in der Regierung gab, obwohl sie absolut null Ahnung von dieser Arbeit hatten. Generell machte er das, was er wollte, egal was es für das ganze Land an gigantischen Schäden in zahlreichen Hinsichten verursachte. 

 

Meine einzige Hoffnung nach der Wahl in 2016 war, dass die republikanische Partei ihn unter Kontrolle halten würden. Am Anfang sah es so danach aus. Mehrere republikanische Politiker hatten, gelinde ausgedrückt, sehr abwertend über ihn gesprochen und dass sie ihn auf keinen Fall unterstützen würden. 

 

Und dann passierte etwas Furchtbares. Anstatt ihn zu bremsen, haben die Republikaner das Gegenteil gemacht. Sie haben sich an Trumps Art angepasst und es gibt eine ganze Menge in der Partei, die ihn in seiner Unverschämtheit, Menschenverachtung, Perversion, Dreistigkeit und Dekadenz überholt haben. 

Die meisten republikanischen Politiker scheinen nicht nur ihren moralischen Kompass verloren, sondern ihn mit Absicht weggeschmissen zu haben. Es gab und gibt noch viele horrende Beispiele von Verlogenheit, Machtmissbrauch und Grausamkeit. Fast alle Republikaner in Kongress haben über die vier Jahre der Trump Administration alle seine Wünsche abgesegnet, weil sie Angst vor ihm hatten. Meiner Meinung nach sind die Mitläufer genauso schuldig, wie die Leute, die Trumps Vorhaben offen unterstützten. 

 

Die lauten, aggressiven Töne über Freiheit von vielen Republikanern gelten nur für ihre eigene Freiheit. Zum Beispiel, in mehreren Staaten wird mit aller Macht versucht, das Wählen, insbesondere für Minderheiten, so schwierig wie nur möglich zu machen. Eine neue Masche in der letzten Zeit war, dass ein paar Gremien in republikanischer Hand, die mit dem Wahlausgang in ihrem Bezirk nicht zufrieden waren, sich weigerten, die Ergebnisse einer Wahl zu zertifizieren, weil sie „spürten“, dass die Wahl nicht rechtmäßig gelaufen sei, obwohl sie zugaben, keine Beweise dafür zu haben. Diese Behauptungen wurden glücklicherweise vom Gericht nicht anerkannt und die Wahlergebnisse zertifiziert. 

 

Es wird von den extremen rechten Gruppen im ganzen Land stark propagiert, dass ihre Anhänger sich bis runter zum Schulrat in ihren Ortschaften zur Wahl stellen sollen, um zu sichern, dass ihre Interessen vertreten werden. Dieser Empfehlung wird tatkräftig umgesetzt. Es passiert öfters, dass in Staaten, die eine republikanische Mehrheit in der Bundes- und Staatsregierung haben, die Volksabstimmung nicht gewonnen hatten. Dies ist möglich durch eine ungerechte Aufteilung der Wahlbezirke namens „Gerrymandering“, ein Gebrauch, der für beide Parteien verboten werden sollte.

 

Man würde denken, dass der 6.Januar der Gipfel sein müsste, aber leider muss ich sagen, dass es immer schlimmer wird. Falls die Republikaner im November bei den Zwischenwahlen* die Mehrheit im Senat und im Haus erhalten, wie schon angekündigt wird, kann die Mehrzahl der Amerikaner damit rechnen, dass das Abschaffen von Rechten, mehr Rassismus und Gewalt an die Tagesordnung kommen werden. Mit dem Abschaffen von Rechten hat das Oberste Gericht schon begonnen.

 

*Midterm Elections – sind die Wahlen, die zwei Jahre nach einer Präsidentschaftswahl stattfinden. Bei diesen Wahlen wird das Repräsentantenhaus komplett und ein Drittel der Senatoren neu gewählt. Diese Wahlen sind genauso wichtig wie eine Präsidentschaftswahl, eine Tatsache, die viele Amerikaner nicht verstehen. Wenn die beiden Häuser keine deutliche Mehrheit haben, die aus der Partei des Präsidenten besteht, hat der Präsident selber sehr wenig Chancen etwas zu bewirken. (Dazu könnte man ein ganzes Buch schreiben.)

 

Mit einer stark konservativen Mehrheit im Obersten Gericht wurden in den letzten Wochen mehrere Entscheidungen getroffen, die viele gerechte Urteile der Vergangenheit rückgängig machten. In dieser Woche haben sie die Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht (Roe vs. Wade) praktisch für ungültig erklärt und es den einzelnen Staaten überlassen, ihre eigene Gesetzte zu haben. In vielen Staaten wird es illegal sein, wenn nicht jetzt schon dann bald, für vergewaltigte (teilweise durch Inzest) Mädchen und Frauen, eine Abtreibung zu bekommen. Falls sie dafür über eine Staatsgrenze fahren, werden sie und ihre Begleiter verurteilt. 

 

Noch in dieser Woche hat das Gericht Gesetze für verfassungswidrig erklärt, die das Tragen von Waffen außerhalb des eigenen Hauses verbieten. Jeder soll das Recht haben, eine Waffe zur Selbstverteidigung in aller Öffentlichkeit zu tragen. Zusätzlich wurde die Recht der US-Umweltschutzbehörde, den Ausstoß von Treibhausgas zu kontrollieren, stark reduziert.

 

Übrigens, alle jetzigen konservativen Richter im Obersten Gericht hatten während ihren Bestätigungsverfahren beteuert, dass sie die Grundsatzentscheidung zum Abtreibungsrecht schützen würden. So viel dafür. Sie haben andere Gesetzte in ihr Visier genommen, wie das Recht auf Verhütungsmittel und gleichgeschlechtliche Ehen. 

 

Die rechtsradikalen Gruppen und Politiker (inzwischen anscheinend fast alle gewählten Republikaner in Washington und in vielen Staaten) lehnen ab, dass eine Frau eine Entscheidung über ihren eigenen Körper treffen darf und schreien lautstark „Pro Life“. Aber gleichzeitig scheinen sie kein Problem damit zu haben, dass Menschen immer wieder niedergemetzelt werden können, wie vor ein paar Wochen mit dem grauenvollen Attentat in Texas, weil sie darauf bestehen, das Recht zu haben, sogar Maschinengewehre, Kriegswaffen zu besitzen. 

 

Am 6. Januar 2021 erlebte ich einen der schlimmsten Tage meines Lebens, als das US Kapitol gestürmt wurde. Schon Monate vor der Wahl in 2020 behauptete Trump, dass falls er verlieren sollte, dann müsste die Wahl manipuliert gewesen sein. Nach der Wahl im November 2020 hat er seine Anhänger ständig aufgefordert, nicht nur sich gegen diese Wahl zu wehren, sondern um Spenden gebeten, um Gerichtskosten zur Wahlanfechtung bezahlen zu können. Im nachhinein hat man festgestellt, dass der angeblich politische Fond, der „Election Defense Fund“, gar nicht existiert und eine ganze Menge von den 250 Millionen Dollar an Familie und Freunde ausbezahlt wurde.

 

Am 30. Juni 2021 wurde der Ausschuss aus Repräsentantenhaus-Mitgliedern gebildet, der den Aufstand vom 6. Januar untersuchen sollte. Dieses Gremium sollte eine gleiche Menge Teilnehmer von beiden Parteien haben. Nur zwei Republikaner haben sich bereiterklärt mitzumachen. Die anderen behaupten immer noch, dass die Untersuchung illegal ist und der Aufstand gar nicht so schlimm war. Es gibt einige Republikaner, die scheinbar die Zusammenarbeit mit weißen Vorherrschaftsgruppen unterstützten und eine Führung durch das Kapitol am 5. Januar ermöglichten, vermutlich um die Lage für ihren Anschlag am folgenden Tag ausbaldowern zu können.

 

Bis Mai 2022 hatten über 1000 Zeugen ausgesagt. Der Untersuchungsausschuss entschloss, mit den Ergebnissen ihrer Ermittlungen weitere Anhörungen live im Fernsehen zu zeigen. Der Zweck ist, zu beweisen, dass Trump und mehrere seine Leute auf illegale Art und Weise die Wahl für ungültig erklären wollten und den Sturm auf das Capitol aktiv gefördert hatten. Ich wundere mich, wie ich gleichzeitig über die Offenbarungen nicht überrascht und trotzdem schockiert sein kann. 

 

In den Anhörungen geht es darum, darzustellen, wie Trump und seine Berater mit einem siebenteiligen Plan versucht hatten, eine freie und ordentliche Wahl aufzuheben.
1) Obwohl Trump wusste, dass er definitiv die Wahl verloren hatte, hatte er weiterhin seinen Anhängern eingetrichtert, dass die Wahl ihm und ihnen gestohlen wurde.
2) Trump hat ununterbrochen versucht, jemanden als Justizminister haben, der seine Behauptungen wegen der „gestohlenen“ Wahl unterstützen würde.
3) Vizepräsident Mike Pence sollte am 6. Januar bei der Zertifizierung der Wahl, die Ergebnisse der Wahl für ungültig deklarieren. Weil er wusste, dass er kein Recht dazu hatte, hat Mike Pence dies abgelehnt. Trump hat mehrmals behauptet, dass Mike Pence seine Pflicht gegenüber dem Land nicht erfühlt hatte und ein Feigling sei. Daraufhin fing eine Hetzkampagne der Trump-Anhänger auf den Vizepräsidenten, der dann am 6.Januar von den Aufständischen gesucht wurde, die ihn sehr wahrscheinlich hängen wollten. Ein Galgen für diesen Zweck wurde vor dem Kapitol aufgebaut.
4) Trump hat in mehreren Staaten versucht, mit enormem Druck die Wahlleiter*innen und Gesetzgeber dazu zu bringen, ihre Wahlergebnisse zu seinen Gunsten abzuändern.
5) Einige Trump-Gefolgsleute haben Republikaner in sieben Staaten angewiesen und dazu gebracht, alternative Listen ihrer Wahlergebnisse von unberechtigten Wahlmännern und -frauen zu unterschreiben und nach Washington für die Zertifizierung zu schicken.
6) Wochenlang hat Trump seine Anhängerschaft angefeuert, am 6.Januar nach Washington zu gehen und sie dann aufgehetzt, zum Kapitol zu marschieren.
7) Trump wollte nicht intervenieren, nachdem der Pöbel das Kapitol stürmte. Nach ein paar Stunden übernahm Mike Pence die Aufgabe, mehr Sicherheitsleute und Militär zum Kapitol zu schicken, weil Trump sich weigerte. Es hat Stunden gedauert bis Trump seine Leute aufgefordert hatte, das Kapitol zu verlassen. Dies hat er gegen seinen Willen gemacht und endete seine Aussage mit „Ihr seid ganz besondere Menschen und wir lieben euch“.  

 

Seit dem 9. Juni wurden sechs Anhörungen übertragen, worin Elemente des siebenteiligen Plans mit Aussagen, meistens von Republikanern aus Trumps Kreis, mit viel Detail dargelegt wurden. Unter anderem gab es Berichte über die mehr als 60 gescheiterten Gerichtsverfahren, womit Trump die Wahlergebnisse anfechten wollte. Sein Gesindel wurde angestachelt, Leute, die Trumps illegale Wünsche nicht umsetzen wollten, mit Drohungen, inklusiv Mord, einzuschüchtern. Viele dieser Leute mussten sich verstecken, weil ihre Häuser belagert wurden. Es wurden haufenweise Verschwörungstheorien erfunden, um Amerikaner zu überzeugen, dass Trump der berechtigte Gewinner der Wahl war: Die Wahlmaschinen wären über Satelliten von Italien aus manipuliert oder Hugo Chavez, der verstorbene Präsident von Venezuela hätte auch Wahlmanipulation begangen und und und. Zum Aufstand hieß es, dass die Antifa (Linksradikalen) den Aufstand führten. 

 

Alle Anhörungen bis zum 28. Juni waren wirklich erschütternd, aber fast nichts gegen das, was am 28. Juni stattfand. Die Assistentin zu Trumps Stabschef hat über das Verhalten Trumps und anderen vor, während und nach dem 6. Januar berichtet. Trump wusste schon vor dem 6. Januar, dass sehr viele Leute unter den Demonstranten stark bewaffnete Mitglieder weißer Vorherrschaftsgruppen sein würden. Viele in der Administration warnten vor Gewalt und waren sicher, dass es dazukommen würde. Trotzdem, am 6. Januar hatte Trump befohlen, dass diese Leute ohne eine Untersuchung nach Waffen zu seiner Kundgebung in der Nähe des Weißen Hauses durchgelassen werden sollten. Sein Kommentar, mit anständigen Worten übersetzt, war: „man kann ruhig die Waffendetektoren entfernen und meine Anhänger durchlassen. Mich wollen sie nicht angreifen“. Die Sicherheitskräfte folgten diese Anweisung nicht. Daraufhin ermunterte er seiner Getreuen, mit ihm zum Kapitol zu marschieren, um die Zertifizierung zu verhindern. Als er feststellte, dass seine Sicherheitsleute ihn zurück zum Weißen Haus bringen wollte, ist er angeblich gewalttätig geworden, was ich ohne Probleme glauben kann. 

 

Es wird noch ermittelt, ob der Vorwurf mancher Zeugen, dass Donald Trump oder seine Mitarbeiter versucht haben, sie zu beeinflussen, tatsächlich passiert ist. Auch dies ist sehr glaubhaft.

 

Wenn ich Trump Anhänger höre, die von dem vielen Guten erzählen, was er bewirkt haben sollte, frage ich mich, ob ich vier Jahre lang in einer Alternativwelt gelebt hatte. Diese Jahre waren für eine Mehrheit der Amerikaner ein Alptraum. Ich bin jeden Tag wachgeworden, falls ich überhaupt schlafen konnte, mit der Befürchtung, dass er oder seine Partei am Vortag wieder etwas Schreckliches angestellt hatte. Um eine Auflistung davon zu machen, würde ich mehrere Seiten und Tage brauchen, alles niederzuschreiben. Sein Vermächtnis ist nichts anderes als Hass, Gewalt, Menschenverachtung und Kriminalität.

 

Wenn ich wegen meiner Familie gefragt werde, sage ich gerne, dass sie eine typische amerikanische ist, bunt gemischt aus verschiedenen Nationalitäten und ethnischen Gruppen. In der heutigen Situation mache ich mir Sorgen insbesondere um meine Familienmitglieder, die nicht weiß und/oder auch junge Frauen sind, geschweige die Zunahme an Schießereien.

 

Normalerweise bin ich eine optimistische Person, und bestimmt viel zu gutgläubig. Vielleicht  klingt es zu dramatisch, aber mit den Entwicklungen über die letzten Wochen in meinem Heimatland weiß ich wirklich nicht, ob die USA vor dem Untergang gerettet werden kann. Nur durch ein Wunder, sprich massive Wahlbeteiligung der Demokraten im November könnte es einen Schimmer Hoffnung geben. Und wie so oft schon fest behauptet, die Hoffnung stirbt zuletzt.

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27. Juni 2022: Dieterich Emde, "Geordnetes Chaos"

 

Geschrieben während des Schreibworkshops der ersten KuKuK-Kunstwoche

 

 

 

Bahnen aus Papier, aus Filz

Ziehen sich durch die Halle.

 

Gabi sehe ich im Hintergrund.

Sie bemalt Kästen aus Holz.

 

Holz in der rechten Ecke wird 

Von Dieter bearbeitet.

Späne fliegen.

Heller Klang der Drechselbank,

Dieter, konzentriert, führt das Eisen.

 

Heidi in der gestreiften Schürze,

In Unterhaltung vertieft.

 

Drei Kunststationen momentan verwaist.

Jetzt kommt wieder Leben auf,

Die Mittagspause vorbei.

 

Michael bereitet den Handdruck vor.

 

Rechts neben mir 

Die Gruppe der Fotografen.

Kichern.

Kameras klicken.

Portraits!

 

Mein Blick schweift durch den Raum.

So habe ich den KuKuK nie zuvor gesehen.

 

Meine Lust, zu zeichnen,

Neues auszuprobieren,

ist zurück.

 

Lange habe ich mich gequält,

Keine Motivation.

 

Zu sehen, 

Wie Michael die Druckarbeiten erklärt,

Zeigt, wo Strukturen, wo Linien

das Bild ordnen.

 

Ja, ich sehe wieder.

 

Eine Freude ist tief in mir,

Wird immer stärker.

Hier zu sein,

Die Energie zu spüren,

Die Kreativität.

Welch eine Freude!

 

Völlig ohne Druck,

Etwas produzieren zu müssen,

Kann ich hier sitzen

Und genießen.

 

Morgen früh,

Vielleicht noch nachher

Werde ich meine neue Druckplatte einfärben,

Mit der Farbe spielen.

Neugierig,

Was im Druck dann

Zu sehen ist.

 

Angenehme Spannung

Entspannte Spannung.

 

Ich bin dankbar,

Gemeinsam hier kreativ zu arbeiten.

Der Wunsch, fünfzehn Jahre alt,

Jetzt hat er sich erfüllt.

 

Die KuKuK-Halle,

Auch mein Atelier.

 



 

20. Juni 2022: Ingrid Wortmann-Wilk, "Frankfurt-Rap"

 

Frankfurt, Frankfurt -

durch die Stadt ,ne Bahn tourt - 

der Äbbelwoi-Express - 

wie gut isn' des?

 

In Frankfurt wohne

Menschen aus vielen Natione. 

Willst Du die alle mal sehn,

musste zum Museumsuferfest gehn.

 

In Frankfurt am Main

spielt Fußball ein Verein.

Bei der Frankfurter Eintracht

öfters mal der Ball ins Tor kracht.

 

Franfurt, Frankfurt -

das Bahnhofsviertel ist nicht Lourdes.

Wenn der Magen mal knurrt,

ißte beim Griechen nen Joghurt.

 

Wie jeder weiss, liegt Frankfurt in Hessen.

Sehr bekannt sind hier die Messen - 

ob für Autos, Konsum oder für Bücher,

auf jeden Fall bringen die Leut ihr Geld in trockene Tücher.

 

In Frankfurt an der Börse geht's um die Moneten.

Im Rebstockbad lass Dir die Muskeln durchkneten.

Ist Dir wichtig die Religion,

dann geh in den Dom.

 

Wollt Ihr ein Herz mit Schloss deponieren,

geht auf dem Eisernen Steg flanieren.

Von dort aus kommt Ihr nach Sachsenhausen,

mit Äbbelwoi macht Ihr ne Sause.

 

Handkäs mit Musik

macht Dich garantiert nicht dick.

Frau Geheimrat Goethe und nicht die Annerose

erfand die grüne Soße.

 

Auf der Zeil

bieten se alles feil.

Was für Japan ist der Tenno,

ist für Frankfurt Brezelbenno.

 

In Frankfurt lebten viele Leute mit Grips.

Nur manche hatten mal einen Schwips.

Adorno, Mitscherlich, Alzheimer, Grzimek, Reich-Ranitzky und Goethe.

 

Beim HR-Symphonieorchester spielen sie Flöte.

 

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13. Juni 2022: Anonym - "Frieden in mir"

 

Dieser beeindruckende Text wurde von einer Person geschrieben, die anonym bleiben möchte. Sie kämpft mit ihrer Vergangenheit und versucht, durch das Schreiben für sich endlich inneren Frieden zu finden. 

 

Wie oft muss ich es hören? Wie oft kommt der Klang an

meine Ohren? Wann lass ich die Buchstaben tief in meine

Seele fallen, sich dort tanzend bewegen um sich zu

formatieren und daraus ein Bild erwachsen.

Wann darf ich mich mit mir selbst verbinden? Hinter den

Schleiern, den schlechten Angewohnheiten mich zentrieren

und mich finden? Mich mit meinen Gefühlen verbinden, der

Trauer Flügel geben und doch die Tränen laufen lassen,

mich wieder mit der verbinden, die ich wirklich bin, die

sich nie getraut hat nach Außen zu kommen - sich

auszudrücken, sich singend ergebend, biegend in den Wogen

der Liebe, der Trauer und der Wut sich hingebend?

 

Sich den wahren Talenten zu stellen? Die Komfortzone zu

verlassen, sich hinter der Depression, der Trauer nicht

mehr zu verstecken, sich den eigenen Worten und Bildern

zu stellen und einfach ein glückliches Ja aus der Angst

herausbrüllen. Die Welt in der Schönheit umarmen, den

Äther dieses Planeten mit Liebe zu füllen, damit Gutes

daraus wachsen kann. Den Kriegsgedanken und -ängsten mit

Liebe und Gesang sich begegnen. Den Raum zu finden, der

wirklich zu mir passt und damit Raum für die Menschheit

geben. Denn Jeder der sich ein Stück heilt, sich wirklich

lebt, trägt bei zu Frieden auf Erden. Bin ich mir nah,

kann ich nicht töten, bin mir gewahr wer ich bin, bin

dann ein Schutzschild im Leben.

 

Und da zu sein im Hier und Jetzt, das Vergangene in einen

schwarzen Schleier sich umhüllen lassen, tatsächlich

trauern lassen, damit es gehen darf wie ein alt

Bekannter, den es seit Jahren nicht mehr gibt, der doch

 

trotzdem vertraut, sich gewahr und doch ich gehen lass.

 

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6. Juni 2022: Horst Wolcke, Gedicht - "Libido"

   Textilfrei  auf  dem  Kanapee

   der  Willem  und  die  Dorothee

     

    und  beide  sind  so  wild  und  froh

    sie  nennt  ihn  Will  -  und  er  sie  Do  

 

    genüßlich  spürt  das  Möbelstück

    wie´s  beiträgt  zu  der  Beiden Glück

 

    noch  einmal  kommt  geflogen

    ein  Pfeil  von  Amor´s  Bogen

 

    mein´ liebe  Do ! -  du  guter  Will !

    dann  wird  es  langsam  wieder  still

 

    zum  Ausklang noch  ein  Ah  und  Oh

    so  ist  das  mit  der  -  Libido

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30. Mai 2022: Hilke Folkers, Gedicht - "Hinter mir"

Hinter mir lasse ich euch,

euch - die ihr mich belastet habt und verwirrt,

in Wut versetzt und in Trauer gelassen,

euch lasse ich hinter mir !

 

Hinter mir alles, was weh tut und kränkt,

hinter mir alles, was einsam macht und süchtig.

Das alles lasse ich jetzt hinter mir.

Es hat keine Macht mehr über mich.

 

Was war, das war,

das ist vorbei, es ist gewesen

ich bin genesen.

 

Drum schau ich froh auf das, was ist

mit freiem Blick auf das, was kommt

und ruf euch zu:

Kommt mit mir mit !

 

Im Sauseschritt, im Trippelschritt,

egal - kommt mit mir mit,

die ihr wie ich voll Hoffnung seid

auf eine gute Zukunft

 

Und lasst uns dafür nun

gemeinsam die nächsten Schritte tun.

 

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23. Mai 2022: Johannes Eucker - "Wiese und Bach"

Mal etwas ganz anderes: Ein in meiner Muttersprache, dem Oberrospher Dialekt, überliefertes Gedicht: Dialog zwischen Wiese und Bach

 

Kromm on schäbb, wo wädde hin?

Geschoärner Modds, woss scherts dich?

Sei doch ned so dägge geschoän

wie dehr dä Oäsch äss zugefroärn.

 

Übersetzung ins Hochdeutsche: 

Die Wiese sagt zum Bach:

Krumm und schief, wo willst du hin?

Der Bach:

Geschorener Mutz, was scherts dich?

Die Wiese:

Ich bin doch nicht so oft geschoren

Wie dir der Arsch ist zugefroren.

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16. Mai 2022: Christine Zickmann – Gedicht mit Zeichnungen - "Die diebische Elster"
aus „Die Spinne Schlackerbein und ihre Freunde“ – Ein Heft mit Kindergedichten zum Lesen und Malen für kleine und für große Leute

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9. Mai 2022: Ingrid Wortmann-Wilk, Gedicht - "Das leere Kopfkissen"

 

Die Nachttischlampe

beleuchtet ein Bett - 

gedacht für zwei, benutzt von einem.

Das zweite Kopfkissen

beherbergt schon lange keinen Gast mehr.

 

Allein in die Decke gehüllt,

ein Buch in den Händen,

schweifen die Gedanken ab

zu den vielen Bettgenossen,

die einst das Bett belebten.

Zu den gesprächigen und den schweigsamen,

den anschmiegsamen und den spröden,

den sanften und wilden,

den nüchternen und den gefühlvollen.

 

Auch Kinder waren dabei,

die zwischen die Eltern sich drängten

mitsamt dem Schmusetier und dem Schnuller.

 

Gesprächsfetzen sind noch im Ohr.

Kichern, Lachen, Seufzen und Gemurmel,

aber auch Tränen flossen,

und eisiges Schweigen legte sich lähmend

über die Bettdecke.

 

Es gab erste Nächte, voll Begierde und Hoffnung,

 

und letzte Nächte voll Trauer und Wut.

 

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2. Mai 2022: Hilke Folkers, Gedicht - "Mit leichtem Gepäck"

 

Mit leichtem Gepäck ziehe ich meines Weges;

abgeworfen die Lasten der Vergangenheit,

abgeladen den Ballast, der mir aufgebürdet wurde

- ohne mein Wissen,

- von Menschen, die es selber nicht wussten.

 

Mit leichtem Gepäck, nur mit meinem Gepäck,

ziehe ich fröhlich meine Straße

und summe ein Lied;

ein Lied des Dankes an alle,

die mir die Augen öffneten

für die Lasten meines Lebens,

damit ich sie teilen kann,

einteilen und abladen, was nicht zu mir gehört.

 

Ich gebe alles ab,

jedem sein Päckchen.

Ich trage es nicht mehr. 

Ich ertrage es nicht mehr.

 

Ich trage Liebe im Herzen

statt Lasten auf den Schultern.

Und ich trage mich mit dem Gedanken,

neue Wege zu gehen - 

schöne und verheißungsvolle ...

 

Die bleiernen Schatten

            früherer Jahre

                        sind verweht.

Was dunkel war, ist erleuchtet.

Was schwer war, ist leicht geworden.

Was bitter war, schmeckt manchmal süß.

 

Und so gewandelt 

kann weiterwachsen,

 

was gesät war als guter Samen für mein Leben.

 

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25. April 2022: Christine Zickmann – Gedicht mit Zeichnungen - "Die Pusteblume"

aus „Die Spinne Schlackerbein und ihre Freunde“ – Ein Heft mit Kindergedichten zum Lesen und Malen für kleine und für große Leute. 

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18. April 2022: Johannes Eucker, Zweizeiler – Unsinngedichte

 

Ist sie nicht wunderbar,

die Kuh mit Pferdehaar?

 

Wir fahren heute wieder Rad,

den Karpfen lassen wir im Bad.

 

Der Bauer schläft des Nachts im Heu,

die Kuh glaubt drum, er sei ihr treu.

 

Der Gockel sprach, das glaubst du nie,

der Kuckuck rief Kikeriki.

 

An meinem Wege fließt ein Bach,

was macht er auf dem Tonband? Krach!

 

Angelst du Fische aus der Dose,

ist dein Lebenswandel lose.

 

Der Hai in deiner Regentonne

fürchtet sich vor zu viel Sonne.

 

Das Huhn legt jeden Tag ein Ei,

den Mindestlohn gibt es ab zwei.

 

Dem Kormoran, dem Kormoran

sieht man gleich jede Sünde an.

 

Der Künstler hasst die Rezensenten,

der Fuchs frisst ungern Brot statt Enten.

 

Den Putin stützen die Orthodoxen,

die Christen sind öfter die Paradoxen. 

 

Die Täubchen turteln munter,

das Leben wird bald bunter.

 

Glaub mir, liebe Mutter,

in China macht man Reis aus Butter.

 

Das Kind geht gerne in die Schule,

der Käfer krabbelt auf der Jule.

 

Wenn ich mal die Schafe hüte,

sagt das Nilpferd, meine Güte!

 

Das Zimmer heißt auch gute Stube,

die Luft darin kommt aus der Tube.

 

Wenn du denkst, das ist das Ende,

dann war es nur die Schweinelende.

 

 

(13.4.2022)

 

 

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11. April 2022: Günter Wirtz - "Zum ersten Mal sah Mahimba das Meer"

 

Zum ersten Mal sah Mahimba das Meer, dieses endlose, tiefblaue Wasser. Ein schwacher Windhauch fächelte ihr langes, schwarzes Haar. Das Meer lag vor ihr glatt wie ein Spiegel. Von Bildern kannte sie es, kein Vergleich zur Wirklichkeit. Für einen Augenblick vergaß sie die Strapazen der letzten Wochen. Erhaben war der Anblick des Meeres. Es war das Mittelmeer.

 

Dann spürte sie die Hand ihrer Freundin, warm umfasste Malena ihre Schulter. Sie beide hatten es gewagt, gemeinsam. Die Eltern hatten ihnen Mut zugesprochen, Europa biete Chancen. Bei ihnen in Nigeria? Nie und nimmer. Mädchen vom Dorf. Die Schlächter der Boko Haram hatten erst kürzlich das Nachbardorf überfallen, die Hütten niedergebrannt, die Bewohner, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, erschlagen, die Mädchen verschleppt.

 

Ein weiter, ein endlos weiter Weg lag hinter Mahimba und Malena. Am Anfang hatten sie Glück, Beziehungen der Eltern, ja, das ist wichtig, überlebenswichtig in Afrika, zu einem Fuhrunternehmen, ein Typ mit zwei altersschwachen Lastwagen, die ständig Gefahr liefen zu verrecken. Die Summe war erträglich, und bald saßen die beiden Mädchen eingepfercht zwischen anderen Passagieren auf der Ladefläche des Lasters, der gen Norden rumpelte, bis nach Timbuktu, zwei Wochen lang. Dort saß ein Bekannter aus dem heimischen Bezirk, der nur damit beschäftigt war, die Route ans Mittelmeer zu organisieren, gegen viel Geld, gegen Dollar, keine afrikanischen Scheine, die täglich an Wert verloren. Auch dafür hatten die Eltern, die Onkel und Tanten gesorgt. Die Fahrt war beschwerlich, aber was zählte das, das Ziel Europa vor Augen.

 

Und jetzt das Meer, das endlose, tiefblaue, kalte Wasser.

 

Irgendwo drüben Italien, Spanien, die Sicherheit.

 

Langsam trat Mahimba ein paar Schritte vor, bis das Wasser ihre Füße umspielte. Ein schönes Gefühl, doch irgendwie auch beunruhigend. Um nach Europa zu gelangen, musste dieses riesige Meer überquert werden. Natürlich würde sie sich nicht abhalten lassen. Trotzdem dieses ungute Gefühl.

 

Plötzlich strömten wie aus dem Nichts von allen Seiten ihr völlig fremde Menschen entgegen. Auch Malena erschrak. Was sollte das? Dann sahen sie warum. Vor ihnen tauchte ein Boot auf, das genau auf die beiden Mädchen zuhielt. Sie waren zu überrascht, um schnell das Boot zu besteigen, so dass sie beinahe umgerempelt wurden von den Menschen, die sich an ihnen vorbei auf das schwimmende Ungetüm stürzten. Als die beiden endlich begriffen, dass es ihre letzte Chance war, Europa zu erreichen, rannten sie ebenfalls hin und konnten soeben noch die letzten Plätze ergattern, bevor die Seeleute die heranströmende Menge erbarmungslos zurückdrängte. Der kräftigste der ruppigen Seeleute drückte einem Flüchtling das Steuerruder in die Hand, zeigte mit ausgestrecktem Arm auf die Weite des Meeres und trat zurück an Land. Sofort legte das Boot ab, ein riesiges Schlauchboot, auf dem sich, so zählte Mahimba, an die 200 Flüchtlinge drängten.

 

Ganz hinten, neben dem knatternden Motor, hockten die beiden Mädchen, hielten sich fest umarmt und versuchten dem eisigen Fahrtwind zu trotzen. Der Bug des Bootes hob sich über den Wellen. Plötzlich fühlte Mahimba ihre Füße frösteln. Sie schaute hinunter, ihre Füße standen im Wasser, waren nass. Langsam, aber unaufhörlich stieg der Wasserspiegel, die Knöchel wurden nass, die Knie. Das Boot hatte ein Leck.

 

Auf dem Mittelmeer ist es zu einer weiteren Katastrophe gekommen. Ein völlig überfülltes Schlauchboot ist kurz vor Lampedusa gesunken. Obwohl ein italienisches Patrouillenboot rasch zur Stelle war, konnten nur wenige Menschen gerettet werden. Überlebende berichten von weit über 100 Toten.

 

 

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4. April 2022: Ingrid Wortmann-Wilk, Gedicht - "Das Buch sinkt langsam zur Seite"

 

Das Buch sinkt langsam zur Seite,

Die Hand tastet sich schläfrig zur Lampe

und löscht das Licht.

 

Die Nacht vergeht, ohne eine Hand,

die vom Schnarchen abhalten will,

nicht gestört von leisen Schritten,

die sich nach draußen schleichen.

 

Beim Morgengrauen tastet die Hand

zum anderen Bett ins Leere,

keine Atemzüge eines vertrauten Menschen.

 

Die Vorhaben des nächsten Tages 

gehen durch den Kopf.

Niemand, dem man sagen müsste: 

„Es wird Heute später."

Niemand, dem man fragen könnte: 

,,Was hältst Du davon?"

 

 

 

Beim Anziehen, auf dem Bettrand sitzend,

kein liebender Blick von der anderen Bettseite,

kein Kuss auf die Schulter.

 

Die erste Tasse Kaffee.

Das Klingeln des Telefons.

Eine Stimme vom anderen Ende der Welt.

Ein kleiner Trost, wohl wissend,

dass in der nächsten Nacht das zweite

 

Kopfkissen wieder leer bleibt.

 

 

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28. März 2022: Horst Wolcke, Gedicht - "Bebrillt"

 

Dieses Gedicht wurde durch ein Bild aus dem Wildunger Altar (1403!) von Conrad von Soest inspiriert.

 

 

 

Ein weiser Mann in späten Jahren

Grauweiß im Bart und in den Haaren

mit Fingern wie aus Porzellan

fasst er zwei Lesegläser an

des Schreibens kundig in Latein

blickt er durch´s Glas ins Buch hinein

um so genüsslich auszuwählen

in Seiten , die gar viel erzählen

von edlen Rittern ohne Tadel

von Mägden , Knechten , hohem Adel

und rückt als Lesender zu Leibe

dem Freigeist und dem schönen Weibe .

 

Für heute und für damals gilt

im Alter liest man gut bebrillt

 

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21. März 2022: Hilke Folkers, Gedicht - "Deprem* - Erdbeben"

 

für Saadet - meine kurdische Freundin

 

Manchmal ist das Schwere zu schwer,

manchmal fasst unsere Seele nicht die Qual,

manchmal läuft das Trauergefäß über.

 

Das Leben kehrt uns den Rücken,

etwas fällt wie ein schwerer Stein,

in den Brunnen des Todes,

und unsere Fragen hallen wieder wie ein stummer Schrei.

 

Dann versickert die Freude in den Tiefen der Erde,

dann ballt die Kraft Fäuste gegen uns,

dann flattert der Mut wie ein verletzter Vogel.

 

Wer trocknet dann unsere ungeweinten Tränen ?

Wer gibt uns neuen Aufwind zum Fliegen ?

Wer reicht uns die Hand, um dann wieder aufzustehen ?

 

* Im Frühling 2003 zerstörte ein Erdbeben Teile der Stadt Bingöl (Ost-Türkei), Saadets Heimatstadt. Aber das türkische Militär zerstörte damals noch mehr: den Glauben an die Menschlichkeit. Statt zu helfen, schikanierten sie die herbeigeeilten kurdischen Helfer und verhafteten sie - denn Kurden unterliegen stets dem Generalverdacht des Separatismus“.

 

 

Hilke Folkers, Laufdorf im März 2004

 

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14. März 2022: Johannes Eucker
AUFLÖSEN UND ZERSCHLAGEN
ZERSCHLAGEN UND AUFLÖSEN

Einen schönen Abend

im Wegehen

mit wenigen Worten

auflösen.

 

Einen tobenden Streit

mittendrin

mit wenigen Gesten

zerschlagen.

 

Einen schönen Abend 

im Weggehen

mit wenigen Worten

zerschlagen.

 

Einen tobenden Streit

mittendrin

mit wenigen Gesten 

auflösen.

 

 

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7. März 2022: Christine Zickmann – Gedicht - "Wenn Tulpen sich gleich Hasenohren"

 

Wenn Tulpen sich gleich Hasenohren

durch feuchte Gartenerde bohren

und wenn Narzissen

vom Rasen grüßen,

wenn sich mit Graupel im Gefieder

der Frühling stürzt auf uns hernieder,

so wie der Habicht auf die Maus,

 

dann stellt die Gartenmöbel raus.

 

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21. Februar 2022: Johannes Eucker - Zauber der Erinnerung: "Die Blauen, Posaunenchor und CVJM" und "Samba-Menscher"

 

Die Blauen, Posaunenchor und CVJM

Das religiöse Leben in diesem abgeschieden gelegenen Dorf war dominiert von der Evangelischen Kirche. Bevor nicht die ersten Ausgebombten und Flüchtlinge ins Dorf  kamen, gab es keinen einzigen Katholiken. Allerdings so ganz monolithisch war die Gemeinde doch nicht, denn es gab eine kleine evangelische Gemeinschaft, „die Blauen„ genannt. Diese trafen sich in einer Privatwohnung und nicht in der Kirche. Es fiel mir auf, dass diese Gruppe nicht mit Wohlwollen betrachtet wurde. Über ihre einzelnen Mitglieder konnte man aber nichts Negatives sagen. Sie waren alles fleißige und freundliche Leute.

 

Ihr negatives Image rührte daher, dass sie nicht in die Kirche gingen, obwohl sie doch evangelisch waren. Das wurde ihnen als Überheblichkeit angelastet, als ob sie etwas Besseres sein wollten.

 

Ich kannte Kinder aus den Familien. Denen war aber in der Schule nichts Besonderes anzumerken.

 

Mein Kontakt wurde enger, als ich sie als Jugendliche im CVJM wieder traf, wo sie sich als besonders zuverlässige Vereinsmitglieder erwiesen und aktiv die Gestaltung der Treffen gestalteten. Mit ihnen zusammen und unter ihrer besonderen Förderung und nicht unter der des Pfarrers oder Kirchenvorstandes beschloss der CVJM Oberrosphe in den 50er Jahren die Gründung eines Posaunenchores. Als Chorleiter kam ein Diakon des Kirchenkreises zu uns ins Dorf gefahren, einmal die Woche. Er half uns beim Besorgen der ersten Instrumente und Noten und unterrichtete uns. Voller Eifer trafen wir uns reihum in den Wohnungen der Teilnehmer. Die Töne, die wir anfangs den Instrumenten entlockten, jammerten jedoch einen Hund und wir zogen deshalb sonntags in den nahen Wald, um niemanden zu belästigen und ungestört üben zu können. Das war im Frühjahr. Im Sommer hatte der Posaunenchor seinen ersten öffentlichen Auftritt bei einem „Missionsfest“.

 

In diesem Chor waren die so genannten Blauen stark vertreten, sie stellten später den Chorleiter und einer von ihnen spielte in der Kirche die Orgel. Die ursprünglich eher unfreundliche Einstellung der amtskirchlichen Evangelischen zu den freikirchlich Evangelischen hatte sich entspannt.

 

Die katholischen Neubürger des Dorfes fielen zunächst nicht auf, als aber bald nach Kriegsende ein Kind starb und katholisch beerdigt wurde, erregte die Häufigkeit der Farbe Weiß bei der Beerdigung Unverständnis.

 

Alles Abweichende wurde als unschön und unpassend angesehen und zugleich unter moralischen Verdacht gestellt und das ohne Unterschiede im religiösen oder profanen Bereich. Diese bornierte Haltung traf später auch die so genannten „Sambamenscher“, junge Mädchen, deren Schlagersingerei manchen Dörflern auch schon den nahenden Weltuntergang anzeigte.

 

Samba-Menscher

 

Ihre Namen waren allen bekannt. Es kannte ohnehin jeder jeden im Dorf, aber diese vier Mädchen waren eine auffallende Erscheinung. Sie gehörten zu einem schwachen Jahrgang in der Schule. Die Mädchen traten oft gemeinsam in Erscheinung. Am auffallendsten sonntags. Dann zogen sie eingehakt durchs Dorf, oft singend. Wie sie zu dem Namen Sambamenscher gekommen sind, ist nicht so ganz klar. Der Name Samba wurde aber nicht vom südamerikanischen Tanz übernommen, sondern von der Eismarke, Samba, Eis am Stiel. Ein Eismann kam mit Fahrrad auf die Dörfer gefahren und verkaufte aus dem Behälter den er auf dem Frontgepäckträger stehen hatte, Eis am Stiel. Für meine finanziellen Verhältnisse als Kind bzw. Jugendlicher war das Eis zu teuer. Die Sambamenscher aber, obwohl auch aus relativ armen Familien stammend, leisteten sich diesen Luxus schon mal. Woher sie ihren Elan und ihre stets gute Laune speisten, weiß ich nicht, sie waren mir aber, als ich so 13 bis 14 Jahre alt war, einen zweiten Blick wert, denn ich fand sie alle mehr oder weniger attraktiv. Sie waren ein Jahr jünger als ich. Den Erwachsenen waren sie aber wohl nicht so ganz geheuer, denn der Ton, in dem von ihnen geredet wurde, klang für meine Ohren nicht freundlich. Ihr Verhalten wurde wohl als eine Art Jugendprotest empfunden, vielleicht nicht zu Unrecht. Sie fielen auch durch ihre Kleidung auf. Ein Mädchen bzw. eine Jugendliche fand es chic, sich ganz in Schwarz zu kleiden. Schwarz aber trugen bis dahin auf dem Dorf nur Trauernde oder alte Frauen. Schwarz aus einem anderen Grund zu tragen, diese Mode wich von der Norm ab und schon hatten die Leute Grund genug sich das Maul darüber zu zerreißen. Sie verurteilten aber nicht nur die ästhetische Abweichung, sondern verbanden damit zugleich eine moralische Abwertung. Wer sich so anzieht, mit dem oder mit  der kann nicht viel los sein. Wer weiß, was die sonst noch alles machen. Dieses Mädchen hat aber im Unterschied zu anderen, die sich nicht auffallend anzogen, der Dorföffentlichkeit nicht den Gefallen getan, ein uneheliches Kind zu bekommen oder wenigstens doch heiraten zu müssen, weil sie wider Willen schwanger wurde.

 

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14. Februar 2022: Hartmut Dörr - "Februar"

 

Nun gut,

gut, beschließ', den Narrenhut zu tragen.

Das ist der Preis, dem großen Rausch zu zollen,

Der nach der guten Tradition die tollen

Von deinen Tagen macht. Wer dürft es wagen,

Den fälligen Respekt dir zu versagen.

Los, dich in geilen Zoten wälzen, vollen

Genuss des Treibens in verruchten Rollen

Willst du, wer anders sein, in diesen Tagen.

Den andern triffst du, wenn du angekommen,

Ganzen unten, morgens, in den feuchten Gossen.

Im Rausch behaust, hat er dich aufgenommen,

Du liegst in euerm Kot, urinumflossen.

Wie er dich küssen will, ahnst du verschwommen

 

Die ganze Wahrheit über Narrenpossen.

 

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7. Februar 2022: Christine Zickmann – Gedichte - "Der Spat Augustin" mit Zeichnung

 

aus „Die Spinne Schlackerbein und ihre Freunde“ – Ein Heft mit Kindergedichten zum Lesen und Malen für kleine und für große Leute. 

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24. Januar 2022: Hartmut Dörr - "Januar"

 

Das Jahr hat sich zum neuen Kreis erhoben

Und rüstet seine Bahn in stummer Kälte.

Der Himmel steht im grauen Stahl, als gälte

Dem Neubeginn besond'rer Schutz von oben.

Wie aus dem morgenmüden Blick geschoben,

Zieht aller Rauch der Stadt ins Dunstverstellte

Hinweg und wird, wo er sich schon erhellte,

Dem unbekannten Horizont verwoben.

Von dort dringt jener Schmerz in unser Hoffen,

Der uns noch Atem lässt, doch jedes Denken

Mit einem Kranz von Angst umspannt. Betroffen

Hat schon das Zählende die Blicke senken

Und schweigen müssen. Nichts ist irgend offen,

Als wär' noch selbst dem Gott kein Schritt zu lenken.

 

 

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17. Januar 2022: Barbara Yeo-Emde - "Die Demokratie in den USA steht auf der Kippe"

 

Ich bin Demokratin, obwohl meine Eltern immer Republikaner gewählt hatten. Meistens habe ich nur die Demokraten gewählt, aber für einen Republikaner gestimmt, wenn ich von ihm überzeugt war. (Beispiel: Charlie Baker, Governor von Massachusetts in November 2020 – ein sehr guter Mann)

 

Schon seit Jahrzehnten hat sich die Spaltung in den USA weiterentwickelt. Für viele weiße Republikaner war die Obama-Wahl Vorbote, dass sie immer mehr zur Minderheit werden und sie dadurch ihrer Macht nicht sicher sind.

 

Dass Donald Trump die Wahl in 2016 dennoch gewann, lag zum Teil daran, dass nicht genügend Demokraten zur Wahl gingen, weil sie Hillary Clinton ablehnten. Die vier Jahre unter Trump haben die Krise extrem verschärft. Rassismus, Verachtung für Frauen, unverblümtes Lügen, noch mehr Gewalt und Schießereien waren und sind noch an der Tagesordnung. Der Gipfel war der Aufstand am 6. Januar 2021. Inzwischen behaupten die meisten Republikaner, dass es nicht so schlimm war. Als jemand, die dieses Ereignis live mitangeschaut hat, war ich so schockiert, dass ich kaum noch glauben kann, dass es tatsächlich passiert ist, so furchtbar und erschütternd war es.

 

Seitdem Präsident Biden im Amt ist, hat seine Administration so viele Krisen zu bewältigen, darunter der Versuch der Republikanischen Partei, das Wählen so beschwerlich bis unmöglich zu machen, wie es nur geht. Obwohl sogar mehrere republikanische Wahlvorstände das Wahlergebnis 2020 als akkurat und ordnungsgemäß bestätigten, wird von unzähligen Republikanern weiterhin behauptet, dass die Wahl „gestohlen“ wurde, dass Präsident Biden nicht der berechtigte Präsident sei. In demokratischen Kreisen wird dies „the big lie“ (die große Lüge) genannt.

 

Diese Strategie des Abbaus der Wahlrechte soll dazu dienen, dass die Republikaner bei den Wahlen im November dieses Jahres in jedem Fall gewinnen können. Präsidentschaftswahlen sind alle 4 Jahre. Alle 2 Jahre wird das ganze House of Representatives (Abgeordnetenhaus) und 1/3 des Senats neu gewählt. Wenn die Republikaner die Mehrheit in einem oder beiden Häuser bekommen, dann wird die Biden-Administration null Chancen haben, ihre Gesetzesvorhaben durchzubringen.

 

Zurzeit haben die Demokraten eine Mehrheit von 9 Personen im Abgeordnetenhaus. Im Senat haben beide Parteien 50 Personen. Falls ein Gesetz mit einer einfachen Mehrheit abgestimmt werden darf, muss, damit die Demokraten die Abstimmung gewinnen können, die Vize-Präsidentin Kamala Harris in ihrer Funktion als Präsidentin des Senats, mit Ihrer Stimme dafür sorgen.

 

Seit Monaten versuchen die demokratischen Senatoren zwei Gesetze zur Verstärkung der Wahlrechte zur Abstimmung zu bringen, den „Freedom to Vote Act“ (Wahlrechtschutzgesetz) und den „John Lewis Voting Rights Advancement Act“, ein Gesetz, um die Wahlen gerechter zu machen, genannt nach dem berühmten Bürgerrechtler. Im Abgeordnetenhaus wurden diese schon abgestimmt und müssen im Senat, dem 100 Senatoren angehören, bestätigt werden. Alle 50 republikanische Senatoren lehnen diese Gesetzentwürfe ab. 

 

Es gibt unglaublich viele Regeln und Verordnungen, wie sowohl im Senat wie im Haus gehandelt werden darf. Aber genau so oft kann man diese Regeln umgehen, wenn genügend Senatoren damit einverstanden sind. Eines der meistbenutzten Verfahrensweise ist der sogenannte „Filibuster“, eine Verzögerungstaktik. Hier geht es darum, die Abstimmung über ein Gesetz zu verhindern, indem diese so lange verzögert wurde, bis eine Abstimmung bei einer Sitzung nicht mehr möglich war. Früher musste ein Senator solange reden, bis er die anderen überzeugen konnte oder wenn er nicht mehr weiterkonnte. Heutzutage muss man gar nicht anwesend sein und kann einfach seine Ablehnung kundgeben. Danach wird abgestimmt. Bei Ablehnung muss eine neue, geänderte Gesetzesvorlage eingebracht werden. Das bedeutete, dass in den letzten Jahren über viele Gesetzesentwürfe weder debattiert noch abgestimmt wurde und Vorhaben nicht so durchgeführt werden konnten.

 

Für die „Voting Rights Acts, die momentan vorgeschlagen werden, möchten die meisten Demokraten dieses Filibuster nicht erlauben und die Gesetzesvorlagen mit einfacher Mehrheit abstimmen lassen. Weil es 50 Demokraten gibt, würde man denken, dass das sehr gut klappen würde. Aber es gibt zwei demokratische Senatoren, welche die Filibuster-Regel nicht ändern wollen aber nicht genau sagen, warum. Letztes Jahr wurde diese Regel öfter für bestimmte Gesetze abgeschafft und alle beiden haben ohne Probleme mitgemacht. Letzte Woche hatte der Mehrheitsführer Senator Schumer mit der Unterstützung Präsident Bidens mit einer selten benutzten parlamentarischen Regel eine Debatte forciert. Leider waren die beiden unwilligen Demokraten nicht umzustimmen aber sie wurden gezwungen, sich öffentlich darüber zu äußern. Es ist mit großem Risiko verbunden, weil befürchtet wird, dass die beiden Senatoren die Partei wechseln könnten.

 

Wie dem auch sei, wäre es für die amerikanische Demokratie absolut fatal, wenn diese Gesetze nicht bald in Kraft treten können. Insbesondere seit der Wahl in 2020 wird überall in den Staaten, die eine republikanischer Regierung haben, versucht, die Wahlbedingungen immer schwieriger zu gestalten. Im Moment gibt es über 400 solche Gesetzesvorlagen über die ganze USA verteilt, die von Republikanern bald durchgewunken werden sollen. Es handelt sich um verschiedene Methoden zur Wahldurchführung, wie zum Beispiel:

1) eine starke Reduzierung der Zeiten, wann man wählen darf.

2) ein drastischer Abbau sogenannten „Drop Boxes“ (Einwurfkasten für Briefwahl)

3) immer weniger Briefwahlmöglichkeiten – es wird behauptet, dass es zu viele Manipulationen gäbe - eine Behauptung, die komplett von Wahlverantwortlichen beider Parteien dementiert wurde.

4) Weniger Zeit, um sich registrieren zu lassen, insbesondere für Leute, die tagsüber in der Woche arbeiten.

5) In den USA fungiert der Führerschein als Personalausweis. Es wird in manchen Staaten auf eine extra ID-Karte beharrt, was für vielen arme Menschen zu teuer wäre. Außerdem haben nicht alle Wahlberechtigten einen Führerschein.

6) Die Anzahl an Wahllokalen werden noch stärker reduziert, so dass manche Leute nicht nur weit gehen, sondern auch teilweise stundenlang warten müssen.

7) Alle 10 Jahre werden die Wahlbezirke in den einzelnen Staaten neu aufgeteilt. Die Partei, die die Mehrheit in einem Staat hat, darf die Bezirke bestimmen. Sehr oft werden die Bezirke so zurechtgeschnitten, dass es so gut wie unmöglich ist, dass ihre Partei aufgrund des in den USA bestehenden Mehrheitswahlrechts verlieren kann. Dieses Verfahren heißt Gerrymandering und wurde in der Vergangenheit nicht nur von Republikanern verwendet. Meiner Meinung nach sollte es illegal sein, egal welche Partei die Mehrheit hat. 

8) Es wird bei Strafe verboten, Menschen, die stundenlang warten, wählen zu können, etwas zum Essen oder Trinken zu besorgen.

 

Fast ununterbrochen frage ich mich, was aus der Republikanischen Partei geworden ist. Sie ist auf keinen Fall die gleiche, die mein Vater bis kurz vor seinem Tod unterstützte. Diese Politiker sind zu allem fähig, um an der Macht zu bleiben. Sie haben keinen Anstand und kein Schamgefühl mehr, geschweige dann Rückgrat.

 

Seit eh und je werden zwei Monate nach einer Präsidentschaftswahl die Wahlergebnisse der einzelnen Staaten in einer Zeremonie in Washington D.C. gezählt. Der Angriff auf das Kapitol am 6.1.21 war geplant, um dies zu verhindern. Nicht nur wollten viele Republikaner im Kongress die rechtmäßige Wahl nicht anerkennen, sie scheinen sogar die Angreifer zumindest angefeuert zu haben. Zusätzlich gab es Versuche in mehreren Staaten, gefälschte Wahlunterlagen abzugeben. Zudem wird sehr stark vermutet, dass die Wahlfälschungen vom inneren Kreis der damaligen Trump-Administration im Weißen Hauses geplant waren.

 

Seit Monaten läuft eine Untersuchung im Repräsentantenhaus über den versuchten Staatsstreich am 6.1.21.Nur zwei Republikaner waren bereit, im Komitee mitzuarbeiten. Inzwischen werden diese Beiden von ihrer Partei geächtet. Bald sollen die Anhörungen live übertragen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Weiße Haus unter Trump am 6.1. involviert war, ist ziemlich groß. 

 

Mein Heimatland steckt in einer Krise, wie ich sie noch nie erlebt habe. Die Taktiken der Republikanischen Partei erinnern zu sehr an die der Nazizeit. Auch Ähnlichkeiten zwischen Hitler und Trump sind sehr stark. Ich kann einfach nicht kapieren, wie man diesem bösen, streitsüchtigen, gierigen, menschenverachtenden, barbarischen Egoist glauben oder ihn unterstützen kann. Ich habe riesige Angst um die Zukunft der USA.

 

Nach Heinrich Heine: Denk ich an die USA in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht, Ich kann nicht mehr die Augen schließen, Und meine heißen Tränen fließen.

 

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